Wort zum Monat Juni

Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle. | 1 Mose 27, 28

Liebe Gemeindemitglieder, liebe Freunde!


Ein Segensspruch. Eine Bitte an Gott um eine ertragreiche Ernte. Es geht um Feuchtigkeit und einen fruchtbaren Boden, die beiden wichtigsten Voraussetzungen in dieser Region für ein gutes Wachstum. Und dann kommt als Ergebnis eine reiche Ernte mit viel Korn und vielen Trauben, die zu einem guten Wein werden. Glücklich kann sich der Landwirt schätzen, dem diese Segensfülle zuteil wird. Heute haben die wenigsten von uns noch einen Bezug zur Landwirtschaft. Aber wir können diesen Segen auch in unsere Zeit übertragen: Gott gebe dir eine erfüllende Arbeit, die dir ein reiches Einkommen beschert! So lässt sich das Leben genießen. Der Bibelvers könnte auf einer Glückwunschkarte zum Antritt der ersten Arbeitsstelle stehen. Oder er könnte als Poster das Büro eines Handwerkers oder Ingenieurs zieren, der voller Zuversicht und Arbeitsfreude jeden Morgen seinen Blick darauf wirft. Ist das nicht ein wunderbarer, motivierender Vers? Ja, das ist er. Insbesondere, wenn man im weiteren Verlauf entdeckt, dass Gott diesen Segen wirklich schenkt.

Die Sache hat nur einen Haken. Der Segen wurde durch Betrug erschlichen. Er war von dem, der den Segen ausspricht, für jemand anderen vorgesehen. Er war gar nicht für den Gesegneten gedacht. Mehrfach hatte der Gesegnete gelogen, etliche Tricks angewandt, um seinen im Alter blind gewordenen Vater zu täuschen. Ums Haar wäre der Betrug aufgeflogen. Doch durch schlagfertiges, dreistes Lügen wurde die Entdeckung abgewendet. Nicht irgendjemand wurde reingelegt, sondern der eigene Vater und der eigene Bruder.

Ein Makel hängt an diesem Segen. Es ist wie eine im Schreibwarengeschäft geklaute Glückwunschkarte oder ein von einem Kollegen gestohlenes Poster. Es hat einen bitteren Beigeschmack. Wann immer man darauf blickt, muss man unwillkürlich daran denken, wie es zustande kam. Kann unter diesen Umständen so ein Segenswunsch in Erfüllung gehen? Doch, er kann. Er geht auch in Erfüllung, nur mit etwas Verzögerung. Zunächst mal muss der Gesegnete fliehen. Nicht wegen des Zorns seines alten Vaters, sondern wegen der unbändigen Wut des um den Segen geprellten Bruders. Der wartet nun nämlich auf den Tod des Vaters, um dann an dem Betrüger tödliche Rache zu nehmen.

Es ist ein Ausschnitt aus einer sehr komplexen Familiengeschichte mit einem Lieblingssohn vom Vater, einem Lieblingssohn von der Mutter, Uneinigkeit der Eltern, ganz unterschiedlichen Charakteren zweier Brüder und einer Menge Leichtfertigkeit auf der einen Seite und Gerissenheit auf der anderen Seite. Es ist die Geschichte von Jakob, der sich den Erstgeburtssegen von seinem Vater Isaak erschleicht und sich damit seinen Bruder Esau zum Feind macht.

Kann Gott in so einer Geschichte voll Ungerechtigkeit und Bosheit diesen Segen in Erfüllung gehen lassen? Er kann. Er erfüllt den Segen mit leichter Abwandlung. Jakob wird ein äußerst erfolgreicher Viehzüchter. Ich staune. Gott ist souveräner und größer, als ich mir das früher vorgestellt habe. Und er ist gütiger, als ich wahrscheinlich in dieser Geschichte gehandelt hätte. So etwas kann man auch nicht durchgehen lassen! Oder? Hm, was lässt er mir durchgehen? Wo segnet er mich mit Gutem, trotz meiner Fehler? Er schenkt unverdient. Er ist gnädig. Mehr als ich es wohl wäre. Der Vers macht mich nachdenklich. Er macht mich dankbar. Und er lässt mich demütig werden. Gottes Segen ist unverdient. Er ist Gnade, ein Geschenk.


Euer Kai Wilhelm

 

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